2016/02 Lüneburg



Gedächtnisprotokoll der mündlichen Prüfung am 10.02.2016 in Lüneburg

 

Heilpraktikerin für Psychotherapie Frau M., Jurist Herr C. sowie Herr H. waren meine Prüfer, wobei Herr C. nur etwas zum Verfahren gesagt hat aber keine Prüfungsfragen stellte.

 

Zunächst schilderte mir Frau M. einen Fall:

 

Eine Frau kommt in Ihre Praxis. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder und weiß nicht mehr ein noch aus, weil ihr Mann das ganze Geld ausgibt, so dass sie sich nicht einmal mehr etwas zu essen für sich und ihre Kinder kaufen kann; vor dem Haus stehen schon zwei Sportwagen, das Haus ist vollgestopft mit Sachen, die ihr Mann gekauft hat.

Was tun Sie?

 

Nun, das war nicht so einfach. Die Frau kommt zu mir, aber eigentlich müsste der Mann in Behandlung, vielleicht hat er eine Manie und müsste in ärztliche Hände. Da diesen Betroffenen meist die Krankheitseinsicht fehlt, wird er wohl nicht freiwillig zum Arzt gehen. Da er nicht akut selbst- und fremdgefährdend sei, käme eine Unterbringung nicht in Frage. Ich rätselte etwas herum, wie man evtl. eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt einrichten könne, der Mann würde ja sicher einer Betreuung nicht zustimmen. Wenn man eine Betreuung anrege, würde der Mann wohl ärztlich untersucht werden, wobei seine Manie deutlich würde. In diesem Zustand ist er auch nicht einwilligungsfähig, also ist seine Ablehnung einer Betreuung nichtig.

Ich war mir recht unsicher, ob ich auf dem richtigen Dampfer war, habe noch kurz erwähnt, dass die Frau ja sehr belastet sei, aber die Prüferin ging darauf nicht weiter ein, es schien ihr zu genügen.

 

Was für Anamneseformen kennen Sie?

Anamnese mit dem Klienten, Familienanamnese, Medikamenten- und/ oder Drogenanamnese, vegetative Anamnese, Fremdanamnese.

Dann wollte die Prüferin noch auf einen ganz bestimmten Punkt in der Anamnese hinaus, auf den ich einfach nicht kam. Sie versuchte noch, mir auf die Sprünge zu helfen, sagte, dass sie diesen Punkt beim ersten Gespräch schon abklären würde, bei jedem Klienten.

Ich kam nicht drauf. Sie nannte mir den Punkt: Suizide im Verwandten- und Freundeskreis. Da ich den Punkt Suizid in meinem Hirn unter psychopathologischem Befund abgespeichert hatte, hatte ich da einfach diese Lücke. Das sagte ich dann auch, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mir geglaubt hat. An dem Punkt dachte ich: Nun bist du durchgefallen! Suizid und alles, was dazu gehört, ist den Prüfern sehr, sehr wichtig!

Aber es ging weiter mit den Fragen: Ein hochsuizidaler Patient sitzt in ihrer Praxis. Was tun sie?

Ich fragte noch kurz nach, ob der denn gar nicht mehr ansprechbar sei, dies wurde verneint. Da habe ich dann die Unterbringung nach PsychKG runtergeleiert, den kompletten Vorgang, wie er in Oldenburg abläuft. Ich hatte schon einige Wochen vor meiner Prüfung bei der Stadtverwaltung angerufen und war auch sehr freundlich informiert worden, wie es in Oldenburg (wo ich mich niederlassen will) abläuft.

 

Frage: Welche Pflichten hat ein Heilpraktiker für Psychotherapie?

Aufklärungspflicht, Dokumentationspflicht, Sorgfaltspflicht, Schweigepflicht, Fortbildungspflicht.

Dazu gab es immer noch Zwischenfragen: Worüber genau muss er aufklären? – Honorar, Setting, Terminvergabe und –absagemodalitäten, Risiken von Psychotherapie, dass es Therapeuten gibt, die über Kasse abrechnen können und der Klient bei mir selbst zahlen muss. Was heißt Fürsorgepflicht? Was genau gehört zur Fortbildungspflicht? Hier war die Erwähnung der Supervision wichtig. Wo gilt die Schweigepflicht nicht? Bei gerichtlicher Anordnung. Außerdem? Wusste ich nicht. Die Prüferin fragte weiter: Wenn ein 17-Jähriger in Ihre Praxis kommt, wie ist es da mit der Schweigepflicht? Gegenüber den Eltern besteht keine Schweigepflicht, wollte die Prüferin hören.

 

Was für Risiken gibt es bei Psychotherapie? Erstverschlechterung, Destabilisierung von Beziehungen, auch z.B. auf der Arbeit vermehrte Konflikte und evtl. Arbeitsplatz-Verlust, Abhängigkeit des Klienten vom Therapeuten, Verliebtheit.

 

Fall: Ein schizoider Klient kommt in Ihre Praxis. Wie arbeiten Sie mit ihm? Vor allem verhaltenstherapeutisch (wenn ich denn eine derartige Therapieausbildung hätte), Kommunikationstraining, Sozialtraining. Da keine rechte Krankheitseinsicht da ist, eher stützend, nicht aufdeckend.

 

Jetzt war Herr H. vom sozialpsychiatrischen Dienst an der Reihe mit dem Fragen stellen:

 

Was tun Sie, wenn sich ein Klient in Sie verliebt? Ansprechen, damit arbeiten oder aber an Kollegen abgeben.

Ein Klient hat ihre Telefonnummer herausbekommen und ruft sie dauernd an, er stalkt sie. Was tun Sie? Hier stand ich echt auf dem Schlauch, so detailliert hatte ich nichts darüber in den Büchern gelesen. Der Prüfer nahm diese Frage wieder etwas zurück und führte mich durch weitere Fragen dahin, dass eine Verliebtheit so früh wie möglich anzusprechen ist und man dann dementsprechend reagiert. Wenn man sich selbst verliebt: Fall an Kollegen weitergeben.

 

Wo kommen Symptome von Autismus vor? Gemeint waren nicht die Entwicklungsstörungen, sondern z.B. Autismus bei Schizophrenie.  Da war ich auch zuerst drauf gekommen, aber mehr fiel mir nicht ein. Der Prüfer versuchte mich auf die Spur zu bringen, meinte, ich solle im Entwicklungsstörungs-Bereich schauen. Ich rätselte herum, was er wohl meinen könnte: Rett-Syndrom, Aphasie mit Epilepsie?

Der Prüfer selber führte noch autistische Symptome bei stark traumatisierten Kindern an, meinte dann, das könne ich nicht unbedingt wissen. Ich fragte, um mich zu vergewissern: „Sie meinen aber nicht die anaklitische Depression?“ Meinte er nicht.

 

Nochmal Suizidalität: Wie finden Sie heraus, ob und wie sehr ein Klient suizidal ist? Direkt ansprechen, Fragen stellen wie: „Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ob es besser wäre, Sie wären nicht mehr da?“ „Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass es besser wäre, tot zu sein?“ „Haben Sie schon konkrete Überlegungen angestellt?“ „Haben Sie schon Tabletten gesammelt?“

Dann wollte er die beiden Namen der Ärzte hören, die sich ganz besonders mit Suizidalität auseinandergesetzt haben: Pöldinger und Ringel. Wie heißt das bei Ringel? Präsuizidales Syndrom. Schildern Sie dies genau. Einengung, emotional, sozial, kognitiv, Einengung der Wertewelt; dann Aggression: Aggressionshemmung, Aggressionsstau, Aggressionsumkehr gegen sich selbst; Suizidphantasien, die sich immer mehr aufdrängen. Prüfer: Ja, die werden regelrecht unkontrollierbar; dabei spielte er einen Autofahrer vor, der immer öfter mit dem Steuer zuckt, um schließlich das Steuer herumzureißen und gegen einen Baum zu fahren.

 

Dann stellte er mir die Aufgabe, ich solle aus ihm einen Schizophrenen machen; ich gebe die Regieanweisungen und er spielt es vor: Ich sagte, er höre Stimmen, fühle sich verfolgt, habe den Eindruck, seine Gedanken breiten sich aus oder werden abgesaugt; er habe das Gefühl, von außen beeinflusst zu werden. Die Brille auf dem Tisch habe eine besondere Bedeutung, wie sie daliege. Sie glauben, Sie seien eine berühmte Persönlichkeit; Sie haben andere Halluzinationen, Ihr Denken bricht plötzlich ab,... Dieses Spielchen brach er dann ab, anscheinend reichte ihm das jetzt, auch wenn es noch nicht alle Symptome laut ICD 10 waren.

 

Dann wollte er wissen, wie man Schizophrenie behandele. Medikamentös mit Neuroleptika, nieder-, mittel-, hochpotente. Mehr wollte er nicht wissen dazu. Aber was für Medikamente könne man noch einsetzen? Mir fiel nur ein, evtl. Tranquilizer zum Beruhigen, aber eher notfallmäßig, nicht langfristig, weil die ja abhängig machen.

 

Ein Klient fällt in Ihrer Praxis plötzlich vom Stuhl und ist bewusstlos. Was tun Sie? Atmung und Kreislauf prüfen und den Notarzt rufen. Stabile Seitenlage, ggf. Herz-/Lungen-Widerbelebung. Er fragte, ob ich das hinkriegen würde. Ich antwortete, dass ich im letzten Jahr einen 1.-Hilfe-Kurs absolviert hätte und dass ich das wohl noch hinbekommen würde. Ob ich es mit ihm hier vorführen solle? Das wollte er dann aber nicht, meinte, dass das doch zu sehr wehtun würde.

 

Die letzte Frage war sehr medizinisch, und ich konnte sie nicht beantworten: Ein Mann kommt in Ihre Praxis. Er hat einen sehr dicken Bauch und dünne Beine und aufgekratzte Stellen an den Armen? Was hat dieser Mann? Da musste ich zunächst passen. Mir fiel nur Cushing-Syndrom ein, aber das war´s nicht. Die Bemerkung, dass alle seine Kollegen hier im Raum sofort wüssten, was er meine, half mir auch nicht. Ich sagte dann, dass sie ja Berufserfahrung hätten, die mir nun mal fehle, und dass mir nichts einfiele. Der Prüfer meinte, das stände in jedem Lehrbuch. Er nannte ein weiteres Symptom: Gelbe Skleren der Augen. Ich mutmaßte Probleme mit der Leber. Ja, wer hat denn Probleme mit der Leber? Alkoholkranke? Ja, das war es dann, und zwar Bauchwassersucht (Aszites), verursacht durch Leberzirrhose. Das stand in meinem Lehrbuch jedenfalls nicht. Zwar die Leberzirrhose, aber nicht die Aszites.

 

Das war es dann, ich musste wieder rausgehen, damit die Kommission sich beraten konnte.

Ich war mir unsicher, ob ich bestanden hatte. Die Fragen bewegten sich häufig sehr am Rande meines Wissens, ich musste oft vermuten und extrapolieren.

 

Dann wurde ich wieder hereingerufen. Herr C. sagte mir, dass ich bestanden hätte, wenn ich auch ein paar Schwächen aufgewiesen hätte.

Herr H. riet mir, ich solle doch bei einer Ausbildung in Therapiemethoden eine solche mit Selbsterfahrungsanteil wählen und dort dann das Thema Verliebtheit einbringen, dies würde häufig vorkommen und man müsste dann wissen, wiew man sich zu verhalten habe. Das bestätigte auch die Heilpraktikerin aus eigenen Erfahrungen heraus.

 

Alles in allem eine nicht ganz einfache Prüfung mit nicht immer fairen Fragen in Extrem- und Randbereiche der heilpraktischen Tätigkeit.

Die Prüfer sagen nicht immer, ob die Antwort, die man gegeben hat, richtig ist.

Ich bin möglichst ruhig geblieben, auch in unsicheren Situationen, auch, wenn ich nicht alles wusste und mit dem Wissen, dass einer meiner Lernpartner zwei Wochen vorher durchgefallen war, und die Frau, die direkt vor mir dran war, ebenfalls.

 


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