2011/04 Köln



Sehr geehrtes Team Ehlert,

auch wenn ich nicht über Ihr Institut den Vorbereitungskurs für die Heilpraktiker-Prüfung (Psychotherapie) gemacht habe, so waren mir doch Ihre ins Internet gestellten Prüfungsprotokolle sowie die Klausuren der letzten Jahre nebst Lösungen eine große Hilfe bei der Vorbereitung.

Deshalb möchte ich mich mit einem Gedächtnisprotokoll von meiner Prüfung in Köln im Frühjahr 2011 bedanken und ebenfalls einen weiteren, vielleicht hilf-reichen Einblick ermöglichen.

 

Trotz sehr langer Wartezeiten und hoher Durchfallquoten habe ich mich bewusst für Köln entschieden; erstens weil dieses Gesundheitsamt wohnortbezogen für mich zuständig ist und zweitens, weil ich bereits über mehrere Jahre Praxiser-fahrung im Umgang mit Klienten verfüge, worauf in Köln angeblich Wert gelegt wird. Für die Klausur hatte ich intensiv gelernt und vorher wie nachher ein gutes Gefühl, die mündliche Prüfung jedoch hatte ich mir anders vorgestellt....

 

Anwesend waren: ein Amtsarzt, eine Psychiaterin und eine Heilpraktikerin. Nach den üblichen Formalien (Ausweis, Einverständniserklärung zur Aufzeichnung der Prüfung) fragte mich der Amtsarzt, warum ich die Prüfung ablegen wolle. Dabei vermisste ich den Blickkontakt, der zu Beginn eines Gesprächs doch üblich ist. Dies blieb auch weitgehend während der gesamten Prüfung so, von irgendeiner empathischen Form der Begegnung ganz zu schweigen. Er wirkte auf mich genervt, uninteressiert und streitbar.

Die Heilpraktikerin hat es tatsächlich fertiggebracht, über die gesamte Prüfungs-strecke kein einziges Wort zu sprechen sowie auch keinerlei Mimik oder Gestik zu zeigen; es war wie ein Blick auf eine Maske.

Allein die Psychiaterin war im Kontakt, gab Rückmeldung und nickte auch mal bei der ein oder anderen Ausführung, was sehr wohltuend war. Um die „Atmosphäre“ abzurunden, hatten alle Prüfer gefüllte Wassergläser vor sich stehen und später wurde frischer Milchkaffee gebracht, mir wurde nichts angeboten.

 

Zurück zur Prüfung: Nach etwa 10 Minuten, die ich ungestört sprechen und auch meinen beruflichen Werdegang schildern durfte, unterbrach mich der Amtsarzt mit der Bemerkung, dass es keine Rolle spiele, ob ich gerne als Lehrerin gearbeitet habe. (Das sehe ich anders, denn wenn ich nach 20 Jahren engagierter Arbeit in der Schule nun freiberuflich viel mit Lehrerinnen in der Supervision, Beratung und Therapie zu tun habe, ist es durchaus relevant, inwieweit ich selbst als Lehrerin gut und auch gerne tätig war).

Ansonsten war mein Vortrag wohl recht wasserdicht, da ich mich seit dem Studium mit Pädagogik und Psychologie beschäftigt habe, eine mehrjährige Fort- u. Weiterbildung auf therapeutischem Sektor nachweisen konnte und seit vielen Jahren berufsbegleitend im Bereich Supervision und Beratung arbeite.

 

Danach las mir die Psychiaterin einen Praxisfall vor, den ich später auch noch selbst lesen durfte (in großer Schrift etwa ein Drittel von einer DIN A4 Seite). Leider habe ich nicht mehr alle Informationen abrufbar, da die Prüfung bereits einige Wochen zurückliegt.

Es ging um eine ältere Frau (68 Jahre), der es nicht gut geht, die viel raucht, nervös ist, oft den Tag bis nachmittags nicht gestalten kann. Sie hat schon 6 Monate ihren Enkel nicht mehr gesehen, worüber sie traurig ist. Allerdings hält sie dies bei ihrer derzeitigen Verfassung für besser.

 

Die Aufgabe war nun, zuerst verschiedene Differentialdiagnosen zu erwägen, um dann eine mögliche Diagnose zu stellen.

Bei der Bemerkung, dass ich vor einer möglichen psychotherapeutischen Arbeit mit einer Frau diesen Alters zur Sicherheit erst eine medizinische Abklärung veranlassen würde, unterbrach mich der Amtsarzt mit den Worten, dass sie dies ja nun voraussetzen würden und ich es nicht zu erwähnen bräuchte. (Hätte ich es aber nicht benannt, so wäre vielleicht genau das dann kritisiert worden).

Neben dem Hinweis auf mögl. Alkoholprobleme und der Hinterfragung einer Anpassungs- oder posttraumatischen Störung (was war vor 6 Monaten?) habe ich differentialdiagnostisch noch einige Ideen und Anmerkungen angeführt – Gott sei Dank auch den entfernten Hinweis auf einen möglichen psychotischen Begleit-rahmen. Als Diagnose habe ich dann eine leichte/mittlere Depression angegeben, mit der Vermutung, dass evt. auch eine Medikation erforderlich sei, ich aber in Verbindung/Absprache mit dem Arzt mit dieser Patientin als Klientin wahrschein-lich arbeiten könne.

An der kritischen Reaktion der Psychiaterin merkte ich, dass dies nicht die richtige Antwort war. Hier bin ich sehr froh, dass sie noch mal nachgefragt und mir eine Brücke gebaut hat, indem sie einige Sätze wiederholt hat.

(...“bis nachmittags“ wurde mir dann klar, weist vermutlich auf ein ausgeprägtes „Morgentief“ hin, was ja wiederum eher für eine schwere Depression spricht). So war es dann auch, die Patientin litt unter schwerer Depression mit wahnhafter Störung! (Letzteres finde ich immer noch schwer zu erkennen, was sicher auch daran liegt, dass ich bis zur Prüfung - und vermutlich auch in Zukunft - nie mit psychotischen Klienten zu tun hatte/habe).

Danach hat die Psychiaterin zu diesem Fall noch längere Zeit sehr genau nachge-fragt (Fremdbefragung und Gegenübertragung als weitere mögliche Informations-quellen, suizidale Gefährdung wg. Alter und möglicher Einsamkeit, entsprechende Anlauf- u. Beratungsstellen, Vorgehensweisen usw.).

Diesen Part fand ich anstrengend, aber berechtigt, da ich bei der Diagnose ja zuerst nicht ganz richtig lag und sie verständlicherweise nachgehakt hat. Weil ich beim Intro angegeben hatte, während meiner Beratungen in den letzten Jahren auch bereits therapeutisch gearbeitet zu haben (natürlich nur als Sequenz und nicht als vollständige Therapie...), bat mich die Psychiaterin dann um ein Fallbeispiel aus meiner Praxis, wo die anfängliche Beratung in eine therapeutische Begleitung übergegangen sei. Nun war ich wieder auf vertrautem Terrain.

Ich habe von einer Klientin berichtet, die wegen beruflicher und familiärer Abgrenzungsprobleme zur Beratung kam. Nach einigen Monaten erzählte die Klientin mir vom Missbrauch im Jugendalter. Hier waren die GRENZEN der Frau so massiv überschritten worden, dass sie seit der Vergewaltigung, die fast 40 Jahre (!) zurücklag, Grenzüberschreitungen in Bezug auf ihre Person nun auf anderer Ebene immer wieder zuließ. Sie hatte übrigens noch nie Jemandem zuvor von der Vergewaltigung erzählt. Dies war dann der Punkt, wo für mich die therapeutische Arbeit begonnen hat. Mit diesen Ausführungen schien die Psychiaterin zufrieden und der Amtsarzt meldete sich wieder zu Wort.

Er wollte wissen, mit wem ich denn künftig arbeiten werde. Als ich als mögliche Zielgruppe Lehrer(innen) nannte mit Burn-out, wurde meine Antwort direkt abgeschmettert. Er meinte die klassischen Störungsbilder nach ICD 10, von denen ich dann einige aufgezählt habe.

 

Ich weiß leider nicht mehr genau, was er noch gefragt hat (soweit zum Stichwort „Verdrängung“), erinnere jedoch, dass ich mehrfach seine Fragen nicht verstanden habe und bin mir nicht sicher, ob dies nicht vielleicht auch so geplant war....

Es kam die Frage nach möglicher Medikation (natürlich nicht als HP Psych) und die Frage, wo denn künftig meine Tätigkeit geregelt sei; unverändert war er überwiegend mit seinem Notizblock beschäftigt und kaum im Blickkontakt.

Meine Antwort „HP-Gesetz“ war nicht richtig, die Antwort „HP Gesetz, begrenzt auf das Gebiet der Psychotherapie“ war es auch nicht. Interessanterweise wurde ich immer ruhiger statt mich verunsichern zu lassen. Nachdem ich ihm dann gesagt habe, dass ich erstens seine Frage nicht verstehe und sie zweitens auch nicht beant-worten könne, bat er mich, den Raum zu verlassen, damit über meine Prüfung beraten werde könne....

Ich hatte ein mulmiges Gefühl und das Empfinden, irgendwie im falschen Film zu sein. Ging es nicht um eine Überprüfung im Rahmen der Psychotherapie, wo man annehmen sollte, dass Grundmerkmale einer freundlichen Gesprächsführung gege-ben sind?

 

Nach wenigen Minuten holte mich die Psychiaterin wieder rein (ich glaubte ein kleines aufmunterndes Nicken zu erkennen) und ich dachte, nun sei die Prüfung gelaufen, so oder so, jedenfalls vorbei. Von wegen – da fing der Amtsarzt noch mal an!

Ich hätte ja vorhin bei meinem Praxisfall gesagt, dass ich bei der Klientin mit dem Missbrauch berührt oder gerührt gewesen sei, wie ich das denn gemeint habe? (Unterschwellig klang mit, das so etwas ja gar nicht gehe und wie ich denn so arbeiten könne).

Ich habe ihm diesbezüglich dann geantwortet, dass es für mich durchaus eine stimmige Reaktion sei. Wenn sich eine Klientin nach einer Vergewaltigung anvertraut und ich dann keine Berührtheit fühle, habe ich meiner Ansicht nach den Job verfehlt!

Es ging dann noch ein paar mal hin und her und ich habe erklärt, dass ich als Therapeutin nicht in den nächsten Stunden bei diesem Gefühl bleiben darf und die sog. Professionelle Distanz zum Tragen kommt.

„Wie ich dies denn erreiche?“ Hier habe ich erwähnt, dass ich je nach Inhalt der Beratung/Therapie vor und nach einer Sitzung entsprechende Meditationsübungen durchführe (ich meditiere seit über 20 Jahren und leite auch Gruppen).

Er schien noch immer nicht zufrieden, grummelte kopfschüttelnd so was wie: „Na, ich weiß nicht, da müssen Sie noch mal hinschauen“ und gab mir dann mein Zertifikat nebst einigen Bemerkungen zur weiteren Verwendung.

 

Da ich davon ausging, dass man aus einer Prüfung ja auch etwas lernen kann, habe ich den Amtsarzt dann um die Auflösung seiner letzten Frage gebeten. Mir begegnete ein klares „Nein, es warten ja noch weitere Prüflinge“ - die Antwort wäre vermutlich in 1-2 Sätzen möglich gewesen.

 

Aufgrund der für mich in weiten Teilen befremdlichen Gesprächsgestaltung konnte ich mich nicht wie erwartet freuen und dachte nur, irgendwas muss ich hier noch loswerden...

Da mir eine Ansprache Richtung Amtsarzt müßig erschien, habe ich mich ganz gezielt bei der Psychiaterin sehr herzlich bedankt für „die freundliche Gesprächs-führung und den ein oder anderen aufmunternden Blick in dieser Prüfungsatmo-sphäre“. Amtsarzt und Heilpraktikerin habe ich nur die Hand gegeben und mich dann verabschiedet.

 

Am Ende ergab sich noch eine unfreiwillig komische Situation. Ich musste vor Ort 29,50 € an die HP zahlen und habe ihr 30 Euro gegeben mit der Bemerkung, der Rest sei für die Kaffeekasse (ha, ha, wo es doch für mich gar keinen Kaffee gab...). Darauf erwiderte sie ein „Nein“ – sie konnte also tatsächlich sprechen – und gab mir 50 Cent zurück!

 

Fazit:

Inhaltlich ist die Prüfung in Köln schwierig, aber bei gewissenhafter Vorbereitung durchaus zu stemmen, atmosphärisch sollte man jedoch auf eine möglicherweise recht denkwürdige Situation vorbereitet sein. Sicher hängt dies auch sehr von der Zusammensetzung der Prüfungskommission ab. Ich hatte zumindest mit meiner zwar strengen, aber fairen und freundlichen Psychiaterin Glück.

Die Gesamtdauer der Prüfung belief sich incl. Beratungszeit und Formalien auf etwa 45 Minuten. Übrigens ist mir von keiner Seite eine inhaltliche Frage zum Bereich Medizinwissen gestellt worden, vielleicht weil ich die Klausur mit voller Punktzahl bestanden hatte; die Lösungen standen ja bereits im Internet. Dies hat der Amtsarzt natürlich mit keiner Silbe erwähnt, es wäre zur Abwechslung ja mal eine freundliche und anerkennende Bemerkung gewesen.....

 

Auch wenn sich an meiner freiberuflichen Tätigkeit nun gar nicht viel verändern wird, so bin ich doch froh, diese Prüfung geschafft zu haben.

Allen künftigen Kandidat(inn)en wünsche ich viel Glück und Erfolg!


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