2010/04 Ansbach



Gedächtnisprotokoll zur mündlichen Überprüfung zum Heilpraktiker für den Bereich Psychotherapie im April 2010 in Ansbach

Am vergangenen Mittwoch (28.4.) habe ich meine mündliche Überprüfung in Ansbach bestanden! Auch dank der guten Vorbereitung durch die Wochenendseminare Ihres Instituts.
Jetzt möchte ich dazu beitragen, dass auch andere Prüflinge ein wenig mehr Sicherheit für ihre mündliche Prüfung bekommen und deshalb ein Gedächtnisprotokoll meiner Überprüfung beisteuern, dass Sie dann gern ins Netz stellen können.
 
Protokoll:
"Ich wurde von einer sehr freundlichen Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes ins Wartezimmer gebracht und noch einmal über das Procedere aufgeklärt. Der Amtsarzt, Herr Dr. Schulze, rief dann nach einiger Wartezeit nach mir.
 
Anwesend bei der Überprüfung waren Herr Dr. Schulze und 2 Beisitzer (Namen habe ich nicht behalten; eine jüngere Frau und ein ebenfalls noch recht junger Mann; ich weiß nicht, wer Heilpraktiker, wer Psychologe war; wurde nicht gesagt).
 
Zuerst wurde ich nach meiner Motivation gefragt, die Überprüfung zu machen. Nach meiner bisherigen Berufstätigkeit. Dann, wie ich mich vorbereitet habe. Danach, ob ich einverstanden sei, das Gespräch aufzuzeichnen (scheint Standard zu sein).
 
Herr Dr. Schulze sagt dann, er werde mir nun einen Fall schildern. Das tat er sehr ausführlich und es stellte sich schnell heraus, dass er in die Rolle des Patienten schlüpfte. Er sei vor fünf Jahren schon einmal mit seiner Ehefrau in Behandlung bei mir gewesen zur Paartherapie und habe diese als erfolgreich in guter Erinnerung. Vor etwa einem Jahr nun sei seine Ehefrau verstorben und seitdem habe sein Leben keinen Sinn mehr. Er habe von seinem Hausarzt Medikamente ("Stimmungsaufheller") bekommen, sie aber nach drei Monaten abgesetzt, weil sie nichts genützt hätten. Der "Patient" schildert sehr ausführlich Symptome, die nur eine Diagnose zulassen: depressive Episode.

Frage vom Amtsarzt: Was tun Sie?
Ich nehme das Rollenspiel auf und beglückwünsche den Patienten erst einmal zur Entscheidung, zu mir zu kommen, würdige und nehme seine Gefühle wahr und stelle die Verdachtsdiagnose Depression in den Raum. Dann beginne ich mit der Abklärung der Suizidgefahr, indem ich nach Suizidgedanken frage und nach konkreten Planungen. Hierbei gibt der Patient an, eine geladene Waffe zuhause liegen zu haben. Im Gespräch fällt der Amtsarzt gelegentlich "aus der Rolle" und fragt:

Und was tun Sie noch? Ich nenne niedrig-frequente Termine, Non-Suizid-Vertrag, biete die bei akuter Suizidalität üblichen, das normale therapeutische Setting überschreitenden, Vorschläge an (Privatnummer, täglicher Telefonkontakt etc.), Notfallnummern. Biete an, mit ihm zu einer psychiatrischen Ambulanz zu gehen (will er nicht). Stelle die Möglichkeit einer Zwangseinweisung in den Raum, falls der Patient nicht glaubhaft versichert, sich nicht das Leben zu nehmen.

Amtsarzt fragt: Wie ist das Vorgehen bei der Zwangseinweisung? 
Trotzdem fragt Herr Dr. Schulze immer noch bohrend weiter: Was noch?
Ich merke, dass ich noch etwas Wichtiges übersehen habe und endlich fällt es mir auch ein: die Waffe!!! Natürlich muss ich vor einer weiteren Intervention mit dem Patienten die Waffe aus dem Haus holen und zur Polizei oder in andere amtliche Verwahrung bringen. Daran, ob er damit einverstanden ist, kann ich ja auch sehen, wie ernst ihm ein etwaiger Non-Suizid-Vertrag ist. Obwohl ich diese Option erst recht spät genannt hatte, ließ mich der Amtsarzt meine "Maßnahmen" in Ruhe erläutern. Das war sehr hilfreich.
Nun fragte mich die Beisitzerin weiter. Da ich vorher als mittelfristige Therapie-Option Verhaltenstherapie genannt hatte, wollte sie wissen, wie ich genau mit der kognitiven VT arbeiten würde.
Ich nannte kognitive Umstrukturierung. Sie fragte, wie ich dabei vorgehen würde. Ich begann zu erläutern, dass ich erst die verzerrten, automatisierten Kognitionen mit dem Patienten identifizieren würde.

Das reichte dann auch schon und sie fragte: Was tun sie noch?
Ich nannte antriebssteigernde Maßnahmen. Mit dem Pat. zusammen eine Liste von Beschäftigungen erstellen, die er früher gerne hatte, z.B. Radfahren. Sie fragte, wie ich ihm das begründen würde. Ich sagte u.a., dass körperliche Betätigung erwiesenermaßen helfe, depressive Symptome zu verbessern. Dann sprach ich noch an, dass der Hausarzt wegen der Medikation noch mit einbezogen werden sollte. Das erste Medikament habe nicht geholfen, aber es gebe ja verschiedene Substanzgruppen. Damit war der erste Fall abgeschlossen.

Es wurde mir dann ein zweiter Fall vorgelegt bzw. vorgelesen. Ich bekam eine Kopie, die Beisitzerin las den Fall vor. Das fand ich sehr entlastend, denn ich hatte dadurch nicht das Gefühl, die Prüfungskommission warte darauf, dass ich (still) fertiggelesen habe. Es war ein ausführlich geschilderter Fall (63-jähriger Gärtner in Begleitung der Ehefrau, Ehefrau berichtet über schleichende Zustandsverschlechterung des Mannes seit 2 Jahren: habe Autoschlüssel verlegt, könne abgesprochene Termine nicht einhalten, kaufe unnütze Dinge, habe im Urlaub nicht mehr das Hotel gefunden, sei seit einigen Monaten krankgeschrieben, da er bei der Arbeit Fehler gemacht habe. Sie glaube, ihr Mann habe "Hirnverkalkung", der Hausarzt habe Tebonin, ein Nootropikon, verordnet und Stangyl, ein Anti-Depressivum, da der Mann Schlafstörungen habe. Sonst sei er körperlich nicht krank. Nun ja, hier ist die Verdachtsdiagnose eindeutig, sehr eindeutig "Demenz". Ich werde gar nicht weiter nach den Diagnosekriterien lt. ICD 10 gefragt (nur die 6-Monats-Frist wird von mir genannt), sondern gleich, wie ich die Diagnose absichern könne. Ich nenne den Mini Mental State (bei diesem Fall habe ich wirklich Glück, da ich durch meine Berufstätigkeit sowohl die Patientengruppe als auch den Test gut kenne). Dann werde ich nach unterschiedlichen Demenzformen gefragt: vaskuläre und Alzheimer-Demenz reicht als Antwort. Diese soll ich dann näher charakterisieren. Danach werde ich gefragt, wie ich Patient und Ehefrau aufkläre (progrediente Erkrankung, nicht heilbar, geringfügig aufhaltbar etc.).

Was, wenn die Erkrankung schlechter wird?
Ich schlage die Einrichtung einer Betreuung durch die Ehefrau vor.

Wer diese anregen könne? Im Prinzip jeder.
Damit ist die Zeit um, ich werde vor die Tür geschickt ("Bleiben Sie in der Nähe!"). Nach kaum 10 Sekunden höre ich schon wieder ein "Herein" und bekomme von Herrn Dr. Schulze mitgeteilt, dass ich bestanden habe und nun noch schön feiern solle....
Mein Fazit: ich hatte mit den Themen viel Glück, da ich mich damit gut auskenne (v.a. aufgrund meiner Berufstätigkeit). Dadurch konnte ich ohne großes Nachdenken antworten. Die Prüfer waren sehr wohlwollend, ich fühlte mich nie unter Druck. Sobald ich im Raum saß, fühlte ich mich ruhig und konnte dieses Gefühl wohl auch vermitteln. Und ich glaube, der letzte Punkt ist der wichtigste. Die Kommission will spüren, dass man sich auch bei "Problemfällen" im Griff hätte. Und die wesentlichen Dinge weiß. Da ist es dann auch nicht so schlimm, wenn einem nicht gleich einfällt, mit dem Patienten die scharfe Waffe zu holen...
Allen kommenden Prüflingen viel Glück und innere Ruhe! Ich hatte es mir viel, viel schlimmer vorgestellt! Mit vielen hirnorganischen Störungen, Entzugssymptomen etc., aber wie gesagt: Glück und ruhig Blut! Das ist das Rezept."
 
So, liebe Frau Ehlert, wenn Ihnen mein Protokoll zu ausführlich sein sollte oder irgendetwas nach Ihrer Meinung so nicht stehenbleiben sollte, schreiben Sie mir gerne noch einmal, dann ändere ich es.
 
Mit herzlichen Grüßen aus Erlangen