Gedächtnisprotokoll der mündlichen Heilpraktiker - Überprüfung in Ansbach, am 7.11.2012
Die Prüfung findet um 8.30 statt, ich bin also wohl die erste Kandidatin dieses Herbstes.
Die Prüfer sind drei Herren, deren Namen ich mir nicht merkte und die ich auch nicht kenne.
Nach der Begrüßung klärt mich der Vorsitzende über den Ablauf ab und ich unterschreibe mit der Tonbandaufnahme einverstanden zu sein.
Vorab wird meine Absicht ergründet. Dies trage ich ohne Unterbrechungen vor; offenbar liegt mein Lebenslauf nicht vor, denn meine Berufstätigkeit ist nicht bekannt. Ich zentriere mich während einer knappen Darstellung meiner Zukunftsvision und dann geht es los. Die drei Prüfer machen hin und wieder Notizen, der Vorsitzende protokolliert über den ganzen Zeitraum.
In lockeren, freundlichen Ton, der auch so bleibt, informiert man mich über das nun folgende Fallbeispiel und muntert mich auf, meine Gedanken dazu, in Anlehnung an die ICD-10-Klassifizierung oder auch DSM zu formulieren. Ein etwa vier Absätze langer Text wird ausgehändigt, zu dem ich auch Notizen machen dürfe.
Zu diesem Zeitpunkt fühle ich mich zwar nur marginal aufgeregt, entdecke dann aber, dass ich den Text anstiere und verhältnismäßig lange brauche, um ihn zu erfassen.
Er berichtet darüber, eine Klientin, 20 Jahre alt, würde mich aufsuchen, weil sie seit Beginn ihres Studiums sehr unkonzentriert sei; sie leide, sagt sie, an einer "Gedächtnisstörung", sei vergesslich und schusselig, verlege alles Mögliche und könne kaum was zu Ende führen. Sie habe vergessen, ihre Hausarbeit abzugeben und bekomme das Studium kaum auf die Reihe, weshalb sie schon daran dächte, es hinzuschmeißen.
Ein paar Details mehr folgen, an die ich mich leider nicht erinnern kann... muss an diesem Kaninchenblick liegen, mit dem ich den Text las.
Im mittleren Absatz erwähnt die Klientin, sie habe schon in der Schulzeit derartige Probleme gehabt.
Ich kreise gedanklich um eine Anpassungsstörung und formuliere dies auch; während ich rede, fällt mir aber ADHS im Erwachsenen-Alter ein, was eher zutrifft. Nun soll ich die Schlüsselbegriffe benennen und dies gelingt mit zunehmender Entspannung auch besser. Das Stichwort "Schulzeit" finde ich eine ganze Weile nicht, ich hatte es aber offenbar unterbewusst aufgeschnappt; es ist ja zentral für die Idee der chronifizierten Aufmerksamkeitsstörung.
Des Weiteren wird am Rande der Störung entlang gefragt: Leitsymptomatik und Komorbidität. Ich bekomme die Chance die depressiven Episoden aufzufächern, das Runterrattern von Erlerntem entspannt zusätzlich. Ein wenig holpriger wird es, als die Nennung einer besonderen Variante der Vergesslichkeit verlangt wird; eine, die es bei Demenz auch gäbe.
Ich gebe zu, nicht drauf zu kommen; man hatte "Alltagsvergesslichkeit" zu hören gewünscht, ein Terminus den ich zum ersten Mal höre und dies auch zugebe.
Danach wird nach meiner Interventionsstrategie gefragt. Obwohl der erwünschte Begriff "Psychoedukation" in meinen Ausführungen nicht vorkommt, nickt man zu meinen diversen Vorschlägen aus der Verhaltentherapie (SORCK, Struktur, Selbstbeobachtung, Verstärker etc), der kognitiven Therapie und mir vertrauten Methoden (Entspannung, NLP- Ankertechniken, Meta-Modell, Ressourcen-Aktivierung, Atemlenkung, AT, Yoga).
Aus dem Bereich der Rechtskunde gibt es keine Fragen, wenn man von jenen absieht, welche Berufsgruppe welche Mittel verordnen dürfe und ob ich als HP verschreiben dürfe.
Zum Schluss wird ein Bildausschnitt in einem blickdiagnostischen Atlas aufgeblättert, der Text ist verdeckt, man sieht nur nach oben verdrehte Augen mit auffällig vergilbtem Augenweiß. Ich solle was dazu sagen.
Ich nenne Ikterus infolge von Intoxikation und schlittere gedanklich in einem Wust an erinnerbaren Notizen zu Nebenwirkungen, Metabolisierbarkeiten von Psychopharmaka und Leberinsuffizienz, eh man mich wohlwollend und endlich auf das Stichwort "Alkohol" bringt; an derart Naheliegendes zu denken war mir nicht möglich gewesen, dies scheint aber auch so dechiffriert zu werden.
Man bittet mich einen Moment draußen zu warten.
Der für meine gewohnten Denkabläufe stotternde Verlauf, die Schwerfälligkeit meiner Ausführungen und die vor Spannung unflüssige sprachliche Darstellung machen mich glauben nicht bestanden zu haben. Dies ist jedoch nicht der Fall; ich habe.
Man erinnert mich noch daran, die Überprüfung beträfe die Nicht-Gefährdung der Volksgesundheit und enthalte keine Qualitäts-Aussage. Ich möge mich also darauf besinnen, in Zweifelsfällen an Fachärzte weiterzuleiten.
Wir verabschieden uns und um 9.30 Uhr schließt sich das Tor des Gesundheitsamtes hinter mir.
Absichtlich habe ich hier subjektive Details eingestreut; es ist mir wichtig zu vermitteln, dass wir wohl alle mit einer vorgefertigten Darlegung rangehen, mit dem Datenarrangement, der uns beim Lernen half. Ich habe autodidaktisch gelernt und hatte keine Gelegenheit den Stoff mit einem bereits Geprüften durchzugehen. Alles was mir zur Verfügung stand, waren die Denkfolien, die ich andernorts, in anders gearteten Kursen eingeübt hatte.
Ich arbeite im Gesundheitswesen und habe seit 20 Jahren die Chance mich mit Menschen - lange, ausgiebig und offen - auseinanderzusetzen. Auf dieser Basis stand denn auch meine Gewissheit, es auch ohne Kursbelegung zu schaffen. Im Nachhinein finde ich es wichtig zu betonen, dass Färbung, Plastizität und Tragweite psychischer Störungen ohne eine fundierte Schulung oder Vorerfahrung schwer anzueignen sind. Mich hat man gar nicht danach gefragt, wie ich mich vorbereitet habe... hätte man, hätte ich ehrlich zugegeben, dass ich keine Kurse zu Psychiatrie besuchte, sondern eine einjährige Fortbildung als Gesundheitstrainerin und einige kürzere Seminare ( etwa AT-Leitung) vorzuweisen habe. Ich habe auch viele Spielfilme angeschaut, immer mit dem Fokus auf die Leitsymptome der Personen, so wie etwa überaus deutliche in "A Beatiful Mind"... abends nach einem Intensiv-Lerntag als Transfer und multimodale Festigung. Und ich lese sehr viel.
Hier nochmal meine Anerkennung für die auf der Website auch Schulfremden zur Verfügung gestellten Mittel, etwa die Fragen der schriftlichen Prüfungen.
Mit besten Wünschen und ermunternd zur Herausforderung,